Offener Brief des Vorstands
Mit großer Sorge verfolgen wir die aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Corona-Pandemie und die daraus folgenden Konsequenzen für Menschen mit Behinderungen.
Erst vor kurzem haben wir in der Vollversammlung des Behindertenbeirats mit über 140 Teilnehmenden und Gästen aus der städtischen Verwaltung, dem medizinischen Bereich und dem Deutschen Institut für Menschenrechte die besonderen Herausforderungen der Corona-Pandemie für Menschen mit Behinderungen thematisiert. Unsere Diskussion und die dort geäußerten Bedenken zur Infektionsdynamik waren, wie sich jetzt herausstellt, der Zeit voraus.
Bereits vergangenes Jahr haben wir uns in einem offenen Brief an Herrn Oberbürgermeister Reiter gewandt, um auf die Sorgen vor einer Triage und der nachrangigen intensivmedizinischen Behandlung von Menschen mit Behinderungen hinzuweisen.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin mahnte an, dass sogenannte „Schutzräume“ für Menschen mit Behinderungen, wie Fördereinrichtungen, Werkstätten, Wohn- oder Pflegeheime während der corona-bedingten Lockdowns zu Isolationsräumen werden, in denen Menschen mit Behinderungen von der Gesellschaft noch stärker segregiert sind, als sie es sowieso schon sind.
Wir hatten die große Hoffnung, dass wir besser auf eine vierte Infektionswelle vorbereitet sind.
Nun stellen wir mit großer Betroffenheit fest, dass wir entgegen den Einschätzungen in den vergangenen Monaten doch Triage Situationen an den Krankenhäusern in München erleben werden. Die Sorge, dass vorerkrankte Menschen mit Behinderungen bei der Priorisierung von Intensivbehandlungen schlechtere Chancen haben, ist real.Wir stellen fest, dass stationäre Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sich erneut abschotten müssen und der Infektionsschutz über der Teilhabe steht und damit freiheitseinschränkend wirkt.
Mit diesem Schreiben möchten wir den betroffenen Menschen in München unser Mitgefühl ausdrücken und uns als Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen solidarisch zeigen. Den Menschen, die im medizinischen Bereich ehren- oder hauptamtlich tätig sind, möchten wir ausdrücklich für ihre Arbeit und ihr Engagement danken.
Wir blicken auf besorgniserregende Wochen und hoffen, dass nun eingeführte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ihre Wirkung schnell entfalten, insbesondere für Menschen mit Behinderungen.
gez. Der Vorstand
Nadja Rackwitz-Ziegler (Vorsitzende)
Cornelia von Pappenheim (Stellv. Vorsitzende)
Johannes Messerschmid (Stellv. Vorsitzender)
Oswald Utz (Behindertenbeauftragter)